Von radikaler Ehrlichkeit - und dem Mut, eigenverantwortlich zu fühlen.
Hallo Du!
Tief berührt und intensiv erlebe ich die letzten zehn Wochen. Wie du vielleicht mitbekommen hast, ist zu dieser Zeit Ulrich in mein Leben gekommen.
So sehr ich mir ein Gegenüber gewünscht hatte, so sehr habe ich unterschätzt, was das auch für mich bedeuten könnte. Über den lang ersehnten Kontakt und die nun möglichen intimen Begegnungen derartig herausgefordert und mit mir konfrontiert zu sein, war wohl eher nicht mein Plan. Doch meine Seele sieht das offenbar ganz anders.
Ich erlebe Begegnungen mit einem Mann, bei dem meine Überlebensstrategien und Muster nicht greifen. Ich komme in Kontakt mit Ohnmacht und den Ängsten in mir. Meine bisherigen Strategien waren: Verstummen, Erstarren und Einfrieren in einen Zustand von: „Ich kann das alles nicht", Resignation und Rückzug. Mich selbst verurteilend und/oder mein Gegenüber abwertend.
Was nun anders ist als in meinen bisherigen Paarbeziehungen: Ulrich ist beharrlich. Stellt Fragen. Will wissen, mich hören, Kontakt. Will erfahren, was mit mir ist...
Das erfordert Worte, wo es bisher keine Worte gab. Gefühle zu fühlen, die ich in der Vergangenheit versucht habe zu vermeiden. Und ermöglicht mir die Erfahrung zu machen, gesehen und gehört zu werden.
Immer wieder berührt mich der Kontakt mit Ulrich tief. Nicht selten fühle ich mich nackt und ein Teil von mir sucht wiederholt Zuflucht in meinen Überlebens-Strategien: Misstrauen, Flucht nach innen, Verzweiflung über den Druck in mir, Ohnmacht. Das, was eigentlich gefühlt werden möchte sind meine Gefühle. Auffallend oft komme ich in Kontakt mit meinen Ängsten.
Doch da ist kein Retter. Ulrich will und wird mich nicht retten. Da ist ein zugewandter Mann, den es interessiert, worum es gerade wirklich geht. Bei mir - bei ihm selbst - und zwischen uns. Halleluja!
Spannend, was ich zur Angst im Buch von Vivian Dittmar dazu finde:
Jenseits der Angst
Unsere Angst lädt uns ein, über die Grenzen des Bekannten hinauszugehen, neues Territorium zu betreten und uns auf eine Reise einzulassen, deren Verlauf wir nicht kennen. Die erweckte Angstkraft ist genau jene, die uns diesen Zugang schenkt. Wenn wir uns mit dieser Kraft unwohl fühlen, hat sie uns immer aus dem Unterbewussten im Griff. Erst wenn wir bereit sind, auch diese Kraft in uns zuzulassen und uns auf sie einzulassen, haben wir die Möglichkeit, durch sie unsere Begrenzungen zu überwinden. Und dann können wir erkennen, dass alles so richtig ist, wie es ist, inklusive unserer Angst. Die Möglichkeit bedingungsloser Freude tut sich auf.
(Auszug aus dem Buch: "Gefühle & Emotionen. Eine Gebrauchsanweisung").
Es braucht die Kraft meiner Entscheidung, dem inneren Kollaps zu widerstehen. Mich liebevoll und klar selbst am Schopf zu packen. Neues auszuprobieren. Mir mehr zuzutrauen. Mich in Klarheit zu üben. Und das, obwohl sich dieser Kollaps wie eine sechsspurige Autobahn in mir anfühlt, die mich einlädt, ihr zu folgen. So vertraut. So oft genutzt. Und das Neue ist noch sehr ungewohnt - wie ein schmaler Pfad in fremdem Terrain.
Wenn die Zeit reif ist
Veränderung geschieht über meine Bereitschaft, mich einzulassen, auf das, was mir widerfährt. Durch meine bewussten Entscheidungen, meinen unbewussten Gewohnheiten nicht mehr blind zu vertrauen und ihnen automatisch zu folgen, kann sich etwas verändern. Wenn ich Ungewohntes ausprobiere, mache ich neue, oft erstaunliche Erfahrungen. Erfahrungen, die mir ermöglichen, mich ungeahnt kraftvoll und lebendig zu fühlen. Innerlich wachsend, belebt – einem Wunder gleich. Ich erlebe Veränderung, entdecke neue Möglichkeiten, erlebe mich überrascht. Und ja, wie Vivian es oben beschreibt: Freude tut sich auf.
Meine Übungsfelder sind:
Zentrierung, aus der heraus ich mich überhaupt erst wahrnehmen kann. Was mir dabei hilft, ist mein Körper. Verkörperung ist der Weg zu meiner Mitte – in mein Zentrum.
Weitere Themen für mich: Mut entwickeln. Radikal ehrlich sein. Dinge nicht unter den Teppich kehren. Mitfühlend und interessiert meinen Gefühlen begegnen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Druck rausnehmen, mir Zeit geben.
Das bedeutet auch, keinen unbewussten „Auftrag“ an mein Gegenüber zu vergeben, um mich zu retten. Jemanden „retten“ oder „mich retten zu lassen“ funktioniert nicht - oft ist es eine Vermeidungsstrategie, um keine Verantwortung für die eigenen Gefühle und das eigene Handeln zu übernehmen. Das gilt für den/die RetterIn ebenso, wie für die Person die sich wünscht gerettet zu werden.
Differenzierung üben: Was von dem, was ich aktuell in mir erlebe, gehört eigentlich zu alten Erfahrungen, zum Beispiel mit meinem Vater? Was erlebe ich in der Jetzt-Zeit, wirklich in diesem Moment? Und was sind Erinnerungen aus der Vergangenheit, die sich oft genauso real anfühlen können? Was will gefühlt und erinnert werden? Was davon kann ich integrieren? Was kann dadurch heilen in mir? Und was davon betrifft meine Beziehung im Hier und Jetzt mit Ulrich und ist mit ihm zu klären?
Das klingt nach einer Menge Hausaufgaben. Und ja, dass ist eine Menge. Und jeder ernst gemeinte Versuch von mir Entwicklung zu ermöglichen, zählt. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Versuch in der eigenen Seele, in unseren Beziehungen, in diesem Leben - ankommt.
Hier ein passendes Lied dazu: „TRY“
Der Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße - Unterstützung hat viele Gesichter
Meine Erfahrung ist: Wenn ich wirklich bereit bin, Verantwortung zu übernehmen, gibt es vielfache Unterstützung. Sei es, dass ein Mann wie Ulrich in mein Leben treten kann. Sei es in Gesprächen mit einem Freund und/oder einer Freundin. Sei es über die Begleitung von Menschen und dem Lauschen, was sie mir sagen. Oder sei es über ein Buch, ein Interview, ein Video. Unterstützung und Inspiration erfahre ich gerade über Vivian Dittmar und ihre Arbeit. (Sie ist Autorin mehrerer Bücher und Gründerin der Stiftung: „Be the Change“, die für kulturellen Wandel steht). Sehr empfehlenswert finde ich ihr Buch: „Gefühle & Emotionen. Eine Gebrauchsanweisung“.
In Vielem spricht mir Vivian Dittmar aus der Seele. Vivian berührt mich in ihrer Klarheit und Sprachgewandtheit, in ihrer Tiefe, Ruhe und mit ihren Werten.
Sie geht davon aus, dass Gefühle und Emotionen unser Leben bestimmen, ob wir wollen oder nicht. Sie spricht davon, dass wir viel Zeit und Geld investieren, um bestimmte Gefühle zu vermeiden und andere Gefühle möglichst oft zu erfahren. Was Gefühle oder Emotionen jedoch sind und wozu wir sie überhaupt haben, ist uns meist nicht bewusst.
Ähnlich wie im Possibility Management (dort: Die neue Landkarte der Gefühle), spricht Vivian von der Kraft und dem Potential der Gefühle: Traurigkeit, Wut, Freude, Angst und Scham.
Meine eigenen Erfahrungen sowie das über Vivian Dittmar vermittelte Wissen werden – wie soll es anders sein - zukünftig in meine Art, mit Menschen zu arbeiten einfließen.
Gefordert, berührt, bewegt und dankbar.
SAbine
Für ein Leben in Kontakt und Leidenschaft